Mit diesen beiden Wörtern verbinden die meisten von uns ein unangenehmes Gefühl. Wir kennen das alle.

Als Angestellter erhält man meist einmal jährlich eine Mitarbeiterbewertung. Wir messen den Wert eines Hauses oder eines Grundstückes mittels einer Bewertung. Es wird der Wert einer Sache festgestellt. Oft hören wir auch den Begriff der Evaluation. (lat.: valere – stark, wert sein). Das bedeutet so viel wie eine sach- und fachgerechte Bewertung und Untersuchung.

Diese Begriffe vermitteln auf den ersten Blick den Eindruck als seien die Bewertungen neutral und objektiv. Doch das ist nur zum Teil der Fall.

Wenn vorab z. B. für eine Mitarbeiterbewertung gewisse Eck-und Kennzahlen festgelegt worden sind, um zu erkennen, ob jemand sein Umsatzziel in einer bestimmten Zeit erreicht hat, dann kann man durchaus von einer neutralen Sichtweise reden. Doch im wahren Leben wird ganz anders bewertet und beurteilt.

Beispiel:

Wir lernen jemanden kennen. Sofort checken wir ab, ob derjenige uns sympathisch ist. Sieht er fröhlich und gut gelaunt aus? Oder ist es ein Miesepeter? Welche Mimik weist er auf? Welche Kleidung trägt er? Hat er etwa einen Anzug an? Oder trägt er zerschlissene Jeans? Und sofort haben wir uns ein Bild von unserem Gegenüber gemacht. Hat er einen Anzug, ein Hemd und einen Schlips an, werden wir höchst wahrscheinlich davon ausgehen, dass er ein Geschäftsmann ist. Schaut er ernst drein, dann nehmen wir vermutlich an, dass er total humorlos ist.

In unserem Kopf gibt es da jede Menge Schubladen, in die wir unsere Mitmenschen oder auch bestimmte Situationen stecken können. Und somit haben wir auch direkt den Menschen bewertet und beurteilt. Dann gibt es noch so schöne Glaubenssätze wie: der erste Eindruck ist immer richtig. Doch mal ehrlich – jeder von uns hat im Laufe des Lebens festgestellt, dass das nicht stimmt.

Doch worauf basiert die Bewertung oder Beurteilung, die wir gerne bzgl. Menschen und Situationen abgeben?

Zum einen verfügen wir über einen großen Erfahrungsschatz, zumindest die etwas Älteren unter uns. Ähnelt eine Situation einer anderen Situation, die wir schon mal erlebt haben, dann verbinden wir damit bestimmte Emotionen. Waren die Emotionen positiv, dann schätzen wir die Lage meist auch positiv ein. Umgekehrt genauso.

Dann ist auch noch wichtig, in welcher Gefühlslage bin ich selbst, wenn ich jemanden oder etwas bewerte? Bin ich entspannt und angespannt?

Dazu empfehle ich das Vier-Seiten-Modell des Psychologen Friedemann von Thun. Kurz erklärt besagt dieses Modell der Kommunikationspsychologie, dass eine Nachricht auf vier verschiedenen Ebenen ausgedrückt und natürlich auch verstanden werden kann: der Ebene des Sachinhalts, der Selbstoffenbarung, der Beziehung und des Appells.

Meiner Meinung nach, können wir durch die Bewertung und Beurteilung von Menschen und Geschehnissen sehr viel Schaden anrichten. Sowohl bei uns als auch bei anderen. Außerdem nehmen wir uns selbst die Chance Neues zu entdecken.  Und wenn dann unsere Mitmenschen uns auch nicht direkt in eine Schublade stecken, dann haben auch wir eine Chance neu entdeckt zu werden.

In spirituellen Kreisen wird oft davon gesprochen, dass es wichtig ist, nicht zu bewerten. Ich stimme dem zu. Doch wie kann es uns gelingen das Bewerten abzulegen?

Ich habe mir angewöhnt auf Menschen immer noch einen zweiten, dritten und auch vierten Blick zu werfen. Jeder erhält von mir mindestens drei Chancen.
Ist mir jemand auf Anhieb unsympathisch, dann frage ich mich, was genau mich an demjenigen antriggert. Meistens finde ich das ganz schnell raus und dann setze ich alles in meinem Kopf wieder auf Anfang. Bei Situationen, die mir komisch vorkommen, versuche ich immer ein sogenanntes „Reframing“ zu machen. Ich stelle mir vor, dass ich eine Situation neutral von außen betrachte.  Dann sieht Vieles gleich ganz anders aus. Mir hilft oft der Gedanke, dass ich gerade nur einen Eindruck von etwas habe, aber nicht alle Hintergründe kenne, die vielleicht zu einer Situation geführt haben.

Ein Beispiel:

Eine gute Freundin von mir ist in ihrem Betrieb zuständig für neue Mitarbeiter. Sie weist sie ein, kümmert sich um sie und soll dem Chef berichten, wie sich die Neuen so machen.Eines Tages kam sie zu mir und beschwerte sich über eine neue Kollegin, die sehr zurückhaltend ihr gegenüber war und irgendwie gar nicht in die Gänge kam. Sie regte sich auf, dass die Neue fast nicht redete und auch sonst sehr verschlossen wirkte. Ihrer Meinung nach hatte die Dame keine Lust in diesem Team zu arbeiten.

Ich fragte sie, wie sie denn darauf käme.

Es war halt ihr Eindruck.

Wir verblieben so: meine Freundin führte am nächsten Tag ein Gespräch mit der neuen Kollegin, die inzwischen ca. 6 Wochen in der Firma war und auch nur 3 Tage die Woche arbeitete. Sie fragte sie, wie es ihr gehe, ob ihr ihr neuer Job gefalle und ob sie sich mit den Kollegen und ihr wohl fühle. Sie bat die Dame unbedingt ehrlich zu sein.

Und dann geschah es. Die Neue war ganz offen und sagte meiner Freundin, dass es ihr schwer falle nur dreimal in der Woche Teil des Teams zu werden. Sie habe jede Woche den Eindruck wieder von vorne anzufangen, weil das Team sehr eingespielt war. Außerdem erklärte sie, dass sie Angst habe vor meiner Freundin, die ihre Arbeit so schnell und souverän erledige. Da könne sie selbst nicht mithalten und das verunsichere sie.

Was war passiert? Meine Freundin hatte sich ein vollkommen falsches Bild gemacht. Vorab hatte ich ihr gesagt, dass es durchaus sein kann, dass die neue Kollegin Angst habe. Und genau so war es.

Gemeinsam haben die beiden dann daran gearbeitet, dass sich die Neue besser zurecht fand und die ganze Situation war fortan sehr entspannt.

Ergo: mit etwas Achtsamkeit und Betrachtung von außen, können wir durchaus aus der Bewertungs – und Beurteilungsfalle raus kommen. Denn nach der Beurteilung kommt meist die Verurteilung. Und das wollen wir nun wirklich nicht.