In den letzten Jahren hast du bestimmt schon mal den Begriff „Narrativ“ gehört. Doch wo kommt diese Bezeichnung her? Ursprünglich bezeichnet das Wort eine Erzählung oder eine Geschichte.

Doch in den vergangenen Jahren wurde der Begriff in einem ganz anderen Zusammenhang verwendet. Im gesellschaftlichen oder politischen Kontext beschreibt ein Narrativ eine bestimmte Deutung der Realität. Durch wiederholtes Verbreiten und Erzählen bestimmter Dinge wird so Einfluss auf das Denken und auch das Handeln von Menschen genommen.

In der Soziologie, in der Medien – und Politikwissenschaft nennt man so eine kollektive Erzählung, die helfen soll komplexe Ereignisse zu deuten und einzuordnen. So kennt fast jeder das amerikanische Erfolgsnarrativ: „Vom Tellerwäscher zum Millionär.“ Hier wird die Möglichkeit beschrieben durch harte Arbeit beruflich und finanziell aufzusteigen. Oder: „Die Welt ist bedroht, wir müssen uns verteidigen!“ – mit diesem Narrativ soll militärisches Eingreifen gerechtfertigt werden. Ein probates Mittel in der Politik. Auch Menschen oder ganze Gruppen definieren sich oft über Narrative wie etwa: „Wir sind ein unterdrücktes Volk.“ Hier wirkt ein Narrativ identitätsstiftend.

Im Kern bleiben Narrative wiedererkennbar, können sich aber weiterentwickeln. In aller Regel bestehen Narrative nicht unbedingt aus Fakten. Vielmehr werden Gefühle, Hoffnungen, Werte oder Ängste beim Gegenüber angesprochen. Komplexe Zusammenhänge sollen auf einfache Geschichten reduziert werden.

Dieses „Stilmittel“ wird daher gerne in der Politik genutzt, um Entscheidungen zu legitimieren. Medien wollen damit Nachrichten einordnen, im Marketing werden Geschichten erzählt, um Vertrauen und Bindung aufzubauen und auch Menschen arbeiten mit Narrativen, um etwa ihre eigene Lebensgeschichte zu erzählen: „Ich musste immer kämpfen.“

Wenn mal das Ganze mit etwas Abstand betrachtet, stellt man jedoch fest, dass ein Narrativ viel mehr ist als eine einfache Geschichte. Durch ständiges Wiederholen bestimmter „Geschichten“, Behauptungen usw. kann man so einen enormen Einfluss ausüben auf die Gesellschaft. Wer also ein Narrativ beeinflussen kann, hat Macht über Meinungen und Handlungen.

Daher mein Tipp – immer genau hinschauen und hinhören, wer was sagt und unbedingt hinterfragen.